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Segeltörn auf einer alten Dame

Die Stimmung an Bord der Tjalk Albertha ist angespannt. Der Vollmond scheint gespenstisch an Deck und der Wind pfeift um die dick eingepackten Segler herum. Am Bug steht Bootsfrau Andrea – Nachnamen gibt es an Bord nicht, jeder wird mit seinem Vornamen angesprochen. Sie sucht mit einem Handscheinwerfer nach den Pricken – Birkenstäben, die das Fahrwasser markieren – Schiffer Dick ruft immer wieder: „Nun halt die Lampe mal still.“ Der Motor blubbert, die Wellen klatschen an das Schiff und der Wind pfeift. Es ist Tag Zwei auf De Albertha“ einer niederländischen Tjalk, die normalerweise auf der Ostsee unterwegs ist.

Doch der erste Törn des Jahres ist ein besonderer. Es geht von Glückstadt entlang der ostfriesischen Watteninseln ins niederländische Groningen – „Early Bird“ heißt der Törn und in der letzten Mail vor Aufbruch hat Schiffer Dick alle Mitsegler noch einmal darauf hingewiesen, dass Thermokleidung möglichst mitzubringen ist.

Das erste Mal, dass ich selbst Kurs auf der Albertha setze.

Das erste Mal, dass ich selbst Kurs auf der Albertha setze.

An diesem Abend ist keiner ohne Mütze an Deck, wer keine Aufgabe hat sitzt möglichst eng zusammengekauert am Segel, um die Sicht nicht zu versperren und Windschatten zu haben.

Das Ziel ist nun zunächst der Hafen von Wangerooge und die Gezeiten machen es spannend, ob dieser entspannt erreicht werden kann. Nur zwei Meter hinter den Pricken brechen sich die Wellen bereits am Strand. De Albertha hat glücklicherweise nur einen Tiefgang von 1,10 Meter. Mehr dürfte es hier wahrscheinlich auch nicht sein.

Dick eingepackt mit Thermohose und Fleecejacke lässt es sich gut aushalten.

Dick eingepackt mit Thermohose und Fleecejacke lässt es sich gut aushalten.

Doch alles funktioniert. Kurz nach 20 Uhr wird endlich am Kai festgemacht. Aus der Kombüse zieht bereits Essensgeruch an Deck und so sitzen kurze Zeit später alle 18 Segler in der Messe und lassen es sich schmecken. Zwischenzeitlich wurde das Ofenrohr aufgestellt und der kleine Ofen schafft zusätzliche Gemütlichkeit. Spiele werden rausgeholt, Biere geöffnet. Doch am nächsten Morgen soll es recht früh weitergehen, also geht es nicht allzu spät in die Koje. Die Gezeiten bestimmen den Tagesablauf.

De Albertha soll in Groningen für die Saison fein gemacht werden. Der Mast und die Schwerter wurden bereits während der Wintermonate überholt.

Winterlich war die Wettervorhersage für den Törn. Doch bereits kurz vor der Abfahrt aus dem Hafen Glückstadt lockerte der Himmel auf und bevor es gegen Mittag durch das Sperrwerk auf die Elbe ging kreiste Sonnencreme unter den Urlaubern. Segeln im März scheint doch keine so schlechte Idee zu sein. Zwischen 23 und 71 Jahre alt sind die mutigen Frühsegler und obwohl sie auch sonst recht unterschiedlich sind herrscht innerhalb der Gruppe ein freundliches Miteinander.

Skipper Dick besteht allerdings nicht darauf.

Skipper Dick besteht allerdings nicht darauf.

Damit der Bordbetrieb funktioniert und die Segel gesetzt werden können, wird nicht nur die Stammcrew, sondern auch jeder Urlauber fest auf verschiedene Positionen eingeteilt. Was zuerst noch wirr wirkte, ist spätestens am dritten Tag in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn Schiffer Dick das Kommando „Vorsegel setzen“ gibt, bewegen sich alle wie von Zauberhand auf ihre Positionen und dort heißt es dann oft: kräftig anpacken.

Sind die Segel jedoch erst einmal oben, kann entspannt werden. Dank blendendem Wetter heißt das: Sonnenbaden. Zwar mit Mütze und drei dicken Kleidungsschichten, aber trotzdem ist fast jeder den ganzen Tag über draußen zu finden. Wer keine Lust auf reine Entspannung hat ist am Heck zu finden. Dort darf nämlich steuern, wer möchte. Natürlich immer von einem Crewmitglied betreut. Besonders herausfordernd ist dies direkt unter den ostfriesischen Inseln.

Dort liegt das Wattenhoch, das bei Ebbe als erstes trockenfällt. Also muss so eng wie möglich an den Pricken gefahren werden, um genug Wasser unter dem Kiel zu haben. Eine Herausforderung, auch für so manchen erfahrenen Segler. „Die alte Dame macht es einem nicht einfach“, sagt Dick zu einem Mitsegler, der viel Yacht-Erfahrung hat. Knapp 126 Jahre alt ist de Albertha, aber hat gerade deshalb wahrscheinich einen ganz charakteristischen Charme.

Auf der Elbe fahren die dicken Pötte dicht an der Albertha vorbei.

Auf der Elbe fahren die dicken Pötte dicht an der Albertha vorbei.

Die Häfen sind im März noch verschlafen. De Albertha ist häufig der einzige Segler vor Ort. Das bedeutet jedoch entspannte Landgänge und entspannte Inselbewohner. An Tag sechs liegt nach mehreren Stunden Fahrt über den Eems-Kanal schließlich Groningen vor dem Schiff. Das Wetter ist immer noch prächtig. 169 Seemeilen liegen zwischen Glückstadt und der niederländischen Studentenstadt. Kaum liegt de Albertha am Kai wird es Zeit für das allerletzte Anlegeritual. Eine Kiste Getränke wird an Deck geholt. Schiffer Dick steht an Land und gemeinsam wird auf „den letzten Anleger“ des Törns angestoßen. Eine letzte Nacht in der engen, aber gemütlichen Koje und dann bleibt am nächsten Morgen nur der wehmütige Abschied.

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Fahrradtour

„Waren wir hier nicht schon mal?“

Der Nordseeküstenradweg, eine Route die durch die Niederlande, Deutschland, Dänemark, ein bisschen Norwegen und Großbritannien um die Nordsee führt. Eine Traumtour, die auch wir uns nicht entgehen lassen wollen. So kommt es, dass wir von Groningen (Niederlande) aus zur ersten Etappe aufbrechen. Diese soll bis nach Eggeloge bei Westerstede führen, wo wir bei einer Kommilitonin übernachten wollen. Über 100 Kilometer, zwar sind wir trainierte Radfahrerin, aber das scheint uns für die erste Route auf unseren Alltagshollandrädern doch ein wenig lang, also fahren wir bis Winschoten mit dem Zug.

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Das klappt relativ problemlos, denn in den Zügen der Arriva, die das Bahnnetz in der nördlichen Niederlande betreibt, gibt es viel Platz für Drahtesel. Unsere gehören nicht der jüngsten Generation an.

DSC02713Wie es sich für Groningen Studenten gehört haben unsere Räder mehrere Vorbesitzer, sind leicht rostig und teilweise kann man uns schon von weitem ankommen hören. Nichts kann uns von unserer Tour abbringen. Mit jeweils gut gepackten Gepäcktaschen steigen wir in Winschoten aus der Bahn. Knapp 75 Kilometer gilt es nun zu überwinden um Abends am Grill den ersten Tag Revue passieren zu lassen. Trotz Drei-Gang-Schaltung und klappernder Schutzbleche geht es schnell über die Landstraßen. Zum einen, weil es auf der deutschen Seite der Grenze teilweise keine Radwege gibt, zum anderen weil das Wetter nicht zum Verweilen einlädt. Da der Nordseeküstenradweg ab Nieuweschans, einem Dorf direkt an der Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland, ausgeschildert ist, hat die Tour etwas von einer Schnitzeljagd. Immer wieder blicken wir suchend um uns hin, fluchen leise, wenn wir anscheinend eine Kreuzung verpasst haben und radeln schließlich wieder auf dem richtigen Weg.DSC00536

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Auf den ersten Blick ist also kein besonderes Kartenmaterial nötig. Ausgerüstet sind wir mit den Radwanderkarten für die Nordseeroute, die Karte für die Niederlande fehlt uns allerdings. Kein Problem dachten wir zunächst.

Doch das wird uns bereits in Winschoten zum Verhängnis. Dort ist die Route noch nicht ausgeschildert und so hatten wir zwar am Vorabend noch online geschaut wo wir lang mussten. Doch wie es so ist: vor Ort sieht alles wieder ganz anders aus. Schnell fragen wir uns: „Waren wir hier nicht schon einmal?“ – Eine gute Radwanderkarte ist also durchaus eine lohnende Investition, wenn man Konflikte bereits kurz nach Start der Tour abwenden möchte.

 

 

 

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